FamilienunternehmerTUM - mit Familienunternehmen im Gespräch
Seit diesem Jahr beschäftigen wir uns noch intensiver mit den Herausforderungen von Innovation und (digitaler) Transformation im Kontext von Mittelstands- und Familienunternehmen.
Dazu haben wir in den vergangenen Wochen bereits eine sehr spannende Talk-Reihe auf Clubhouse durchgeführt, wobei es vor allem um das Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation aus Sicht der NextGen ging. Die zentralen Erkenntnisse aus diesen spannenden Diskussionen haben wir für Sie hier nochmals aufbereitet.
Um diese wichtigen Aspekte (u.a. Innovations-Kooperationen und -Ökosysteme) noch intensiver zu beleuchten, führen wir eine Reihe von Experten-Interviews mit Vertretern der NextGen durch.
In unserem ersten Interview mit Dr. Christian Röhm geht es um die Chancen und Herausforderungen von Innovation in Familienunternehmen als Nachfolger. Dabei dreht es sich vor allem um die Impulse aus der nächsten Generation, die sowohl inkrementelle als auch radikale Innovationen im Kontext eines traditionell mittelständisch geprägten Verlagshauses erfolgreich realisiert.
Christian führt das Familienunternehmen Röhm Medien gemeinsam mit seinem Bruder in der fünften Generation und zusammen führen die beiden Brüder den lokalen Zeitungsverlag als modernes Medienhaus ins digitale Zeitalter.
Werdegang:
BWL Studium - Universität Mannheim und St. Gallen, Technische Universität München
Erfahrung in einer Managementberatung (Boston Consulting Group)
Führt in fünfter Generation zusammen mit seinem Bruder das Familienunternehmen
Familienunternehmen:
Röhm Medien, gegründet 1890
Lokaler Tageszeitungsverlag
Fokus: Druck, Handel, Dienstleistung und Logistik im Bereich Brief-Paket-Logistik
450 Mitarbeiter
€ 40 Mio. Umsatz im Jahr
Was bedeutet für dich persönlich Tradition im Kontext eures Familienunternehmens?
Tradition ist nicht der erste Begriff, mit dem ich unser Unternehmen beschreiben würde. Als Medienunternehmen wollen wir Vordenker sein und Tradition hat häufig noch ein angestaubtes Image. Dennoch findet sich bei uns die Tradition im Unternehmertum an sich wieder. In jeder Generation gab es Herausforderungen, die bewältigt wurden und meistens eine Unternehmenserweiterung zur Folge hatten. Darüber hinaus steht Tradition auch für die lokale Verwurzelung und die enge Verbundenheit zur Region und den Menschen vor Ort. Wir sagen: Wir leben gerne hier. Das ist einer unserer Slogans, mit denen wir am Markt auftreten.
Dann anschließend die Gegenfrage: Was bedeutet Innovation für dich persönlich, aber auch für das Familienunternehmen?
Innovation löst bei mir persönlich den Drang aus Dinge neu und anders zu machen, also aktiv und schnell zu sein. Oft geht das auch einher mit dem Gefühl der innerlichen Unruhe. Früher konnten wir mit einem Produkt die breite Masse befriedigen, heute müssen es vielfältige Angebote sein. Das führte zu einer Strategie, die wir Satelliten-Strategie nennen: der Kern ist unsere lokale Zeitungsmarke, ergänzt durch klassische Produkte im Printbereich und Portale, wie z.B. lokale Jobportale. Innovation ist somit der Treiber unserer „Satelliten-Strategie“, der jedes Jahr zu neuen Satelliten führt.
Wie schafft ihr es Tradition und Innovation auszubalancieren?
In Teilen durch die Satelliten-Strategie – hier funktioniert das eine nicht ohne das andere: ein Zusammenspiel unserer traditionsreichen Tageszeitung und der innovativen Ergänzungsprodukte. Darüber hinaus durch den Wechsel vom reinen Zeitungsverlag hin zum Medienhaus, das Nachrichten, lokale Neuigkeiten und lokalen Journalismus vereint.
Das klingt nach Organisationaler Ambidextrie - Wie kann man sich Exploitation und Exploration in einem Familienunternehmen vorstellen?
Exploitation bedeutet für mich eine Erweiterung und stärkere Ausnutzung existierender Produkte mit relativ geringem Risiko. Exploration dagegen sind Produkte und Dienstleistungen für neue Märkte und Kunden und verbunden mit einem höheren Risiko – ich begebe mich quasi auf eine Entdeckungsreise. Ein Beispiel für Exploitation wäre die Veränderung des Layouts. Hier ist es zwar unklar, ob es den Lesern gefällt, das Risiko ist aber relativ gering. Radikaler und risikoreicher wäre die Umstellung auf einen kontinuierlichen Newsstream über den Tag hinweg, aus dem am Ende des Tages noch eine gedruckte Zeitung zusammengestellt wird.
Zum Thema Generationenwechsel: wie lief denn dieser für dich ab? Wie war der Einstieg ins Familienunternehmen?
Im Prinzip zweistufig: mein Eintritt war ja in Sachsen, wo wir als Familie immer weniger präsent waren. Dieses Unternehmen hat eine sehr starke eigene Identität und ich war Nachfolger einer der Mitgründer, d.h. mein Eintritt war eher wie der eines externen Geschäftsführers, der allerdings eine starke Identität mitbringt, warum er das Ganze macht. Ich würde sagen, das Interessantere ist dann tatsächlich mein Einstieg bei uns im Kernunternehmen bei Stuttgart, wo ich zum Jahreswechsel 19/20 als Geschäftsführer eingetreten bin und seitdem beides miteinander verbinde. Mein Vater ist jetzt 65 und mein Eintritt ist sehr positiv in unserem Unternehmen wahrgenommen worden. Der Eintritt war von langer Hand geplant, mit Vorerfahrung in Sachsen und der klaren Intention, das auch langfristig zu machen. Ich habe aus dem ganzen Unternehmen und vor allem durch die Führungskräfte sehr viel Unterstützung erfahren. Mein Vater hat diesen Plan immer sehr klar verfolgt und sich gleichzeitig zunehmend zurückgezogen. Aktuell ist er beispielsweise noch an 3 von 5 Tagen in der Firma und hat sich die Themen herausgepickt, die er weiter betreuen kann und ich auch zukünftig gar nicht unbedingt betreuen sollte, z.B. das Thema Druck. So haben wir jeweils einen abgegrenzten Bereich und trotzdem die Möglichkeit, uns sehr eng auszutauschen.
Darauf aufbauend: wie bringst du neue Impulse mit ein?
Mein Fokus ist natürlich ganz klar der Digitale. Das ist nicht nur, was ich mitbringe, sondern was ich mitbringen muss – diesen Wandel herbeizuführen und vor allem zum Erfolg zu bringen. Ich will dabei weg von dem Ansatz, dass wir Kernprodukte haben, die im Prinzip weiterlaufen und wir digitale Produkte drum herumbauen. Ich möchte, dass unsere Kernprodukte digital werden. Ein Beispiel: Wir machen jährlich ein Wirtschaftsmagazin, das uns einen Riesenerfolg bringt – ein großer Umsatzbringer und ein ganz wichtiges Medium für uns. Das läuft in Print und das sehr gut seit vielen Jahren. So ein Produkt will ich digitalisieren, gerade weil es so gut läuft. Und ich möchte, dass der Umsatz schrittweise von Print auf Digital rüber wandert, sodass ich dann letzten Endes irgendwann ein völlig digitales Produkt habe, das im Kern aber unsere Marke weiterträgt.
Mein zweiter Impuls kommt aus meiner Beratungs-Vergangenheit: ich will alles messbar haben. Da komme ich hin und wieder in Diskussionen mit dem Journalismus bzgl. der Messbarkeit von Qualität im Journalismus. Ich meine, es ist sehr wohl messbar, aber das ist nicht immer leicht.
Wie helfen dir heute deine aufgebauten Kompetenzen bzw. dein Netzwerk?
Das Netzwerk aus der Beratung hat mir so gut wie gar nichts geholfen, da die meisten Berater in anderen Bereichen unterwegs sind. Viel interessanter ist es, dass man durch den Hintergrund Beratung wiederum ein interessanter Gesprächspartner für seine neuen Kollegen im Familienunternehmen ist und Mehrwert bringt, auch wenn die Kollegen deutlich mehr Erfahrung haben – man profitiert gegenseitig voneinander.
Die in der Beratung erworbenen Kompetenzen dagegen helfen in gigantisch großem Umfang. Wenn man direkt in die Geschäftsführung eintritt, muss man sehr schnell verstehen, worum es eigentlich geht. Und ich glaube, das ist die Quintessenz der Beratung – dass du in irgendeinen Kontext reingeschmissen wirst und das maximal schnell für dich strukturieren und priorisieren kannst. Der größte Vorteil ist also der Modus der Arbeit und die Erfahrung. Bei BCG war ich u.a. für ein Jahr bei Digital Ventures tätig und habe dort spannende Erfahrungen gesammelt in Bezug auf alle Innovationszyklen, weil man dort wirklich konkretes Product Development mit Agile Management und Design Thinking macht. Das ist extrem hilfreich für die Innovationsfähigkeit in unserem Satelliten-Modell.
Inwieweit unterstützen dich die Erkenntnisse aus deiner Dissertation und welche Einblicke aus anderen Branchen oder Unternehmen helfen Dir bei Innovationsprojekten?
Eine Sache habe ich definitiv mitgenommen: Je besser die Identifikation mit der Marke und dem Unternehmen, umso höher die Innovationskraft. Das klingt simpel, ist aber extrem wichtig für die Praxis und liegt teilweise an so lapidaren Dingen, wie der Unternehmenskommunikation – und an dieser Kultur kann man arbeiten.
Wie hast du daran konkret bei euch gearbeitet?
Als erstes ist es immer Kommunikation: man kann gar nicht zu viel kommunizieren!
Chat Tools: Dadurch haben wir die Kommunikation schon deutlich verbessert.
Townhalls für neue Produkte: allen Mitarbeitern werden die Produkte erklärt und was wir damit erreichen wollen – sie sollen sie selbst nutzen und sehen, wie cool sie sind.
Die „Gute Nachricht“ & der Wochenrückblick: jede Woche kommunizieren wir einen Erfolg und generell alles, was passiert ist.
Und dann gibt es so lapidare Dinge, wie im Sommer mal den Metzger mit einem Imbissstand auf den Hof holen und gemeinsam Grillwurst essen oder ein digitaler Spieleabend in Zeiten von Corona – das klingt simpel, ist aber super und macht mir selbst auch einfach große Freude.
Das sind alles nur kleine Rädchen, die eigentlich in ihrer Gesamtheit tatsächlich die Wirkung bringen – die echt groß ist. Wir machen jetzt einmal im Jahr eine Unternehmensumfrage zur Zufriedenheit (mit Twitter als Vorbild): man kann nur angeben ob man zufrieden oder unzufrieden ist auf einer Skala von 1 bis 7 und 160 Zeichen dazu schreiben. 2019 haben wir damit gestartet und uns 2020 schon um einen kompletten Punkt gesteigert, von 4 auf 5 hoch. Das war ein Riesensprung für mich und das Feedback hat gezeigt, dass wir mit dem starken Fokus auf die Kommunikation auf dem richtigen Weg sind. Außerdem reagieren wir auf die 3-4 Top Wünsche. Z.B. haben wir eine Lounge zum Kaffee trinken gebaut, die sehr positiv angekommen ist, weil das Bedürfnis eben aus dieser Mitarbeiterumfrage herauskam. Wir reagieren und das wirkt direkt.
Was glaubst du wird sich von der digitalen Kommunikation (bedingt durch Corona) bei euch langfristig halten und was entwickelt sich wieder „back to normal“?
Die Chat Tools und Videokonferenzen bleiben auf jeden Fall und auch, dass die Leute remote arbeiten können, aber nicht so viel wie gerade. Ich will, dass die Leute wieder zurückkommen. Ich glaube sehr stark an das Gemeinsame und das Wir-Gefühl, das nur durch das Persönliche entsteht. Und vor allen Dingen vertraue ich auf diese Zwischen-Tür-und-Angel-Gespräche, bei denen neue Ideen entstehen. Es ist super, dass wir diese digitalen Tools haben, dadurch sind auch alle unsere Leute digitaler geworden, was wiederum hilft, digitale Produkte zu verkaufen und nach außen zu vertreten. Aber ich brauche das Persönliche. Das ist genau der Spirit, der zu Innovation führt und zu der Unternehmenskultur, über die wir vorhin gesprochen haben.
Wenn Sie dazu mit uns sprechen möchten, wenden Sie sich gerne an unseren Experten Leopold.